Produktionstiefe oder Lieferkette?

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In dieser Serie befassen wir uns allgemein mit Begriffen und Themen, die die Publikationen – analog wie digital – dominieren und inzwischen ein hohes Maß an Beliebigkeit erreicht haben.

In dem Beitrag geht es um Lieferketten – Supply Chains – in der z.B. mehrere Unternehmen eine Wertschöpfungskette bilden. Wertschöpfungsketten sind so alt, wie der Handel unter Menschen. Üblicherweise handelt es dabei um Materialien oder Produkte, die von den Teilnehmern der Kette eingekauft, bearbeitet und für mehr Geld weiterverkauft werden. Wertschöpfung eben, Schritt für Schritt.

Die Entwicklung dieser Wertschöpfungsketten hat sich seit dem 18. Jahrhundert massiv beschleunigt und fundamental gewandelt. Bis dahin war die Wertschöpfungskette geprägt von der Verarbeitung von Agrarprodukten und Waren des täglichen Lebens mittels händischer Arbeit unter Zuhilfenahme mechanischer Einrichtungen wie Wind- und Wassermühlen, Hebelwerken zum Pressen, Plätten oder Teilen und anderen – eher einfachen – Werkzeugen.

Im 18. Jahrhundert begann die erste industrielle Revolution, die durch die Nutzung der Dampfkraft und die Mechanisierung der Produktion gekennzeichnet war. Wurden zuvor etwa einfache Spinnräder zur Herstellung von Fäden eingesetzt, schaffte eine mechanisierte Variante das 8-fache Volumen in derselben Zeit. Dampfkraft war schon vorher bekannt. Dass man sie jetzt für industrielle Zwecke nutzte, war der größte Durchbruch in der Produktivitätssteigerung der Menschen. Statt wie zuvor zum Beispiel Webstühle per Muskelkraft anzutreiben, setzte man als Antrieb nun Dampfmaschinen ein. Entwicklungen wie das Dampfschiff oder (etwa 100 Jahre später) die dampfbetriebene Lokomotive brachten weitere große Veränderungen, weil Menschen und Waren binnen weniger Stunden größere Strecken zurücklegen konnten. Die Lieferketten wurden komplexer, die einzelnen Fertigungsschritte kleinteiliger.

Die zweite industrielle Revolution begann durch die Entdeckung von Elektrizität und Fließbandfertigung im 19. Jahrhundert. Henry Ford (1863–1947) übernahm die Idee der Massenproduktion von einem Schlachthof aus Chicago: Hierbei hingen die Schweine an Förderbändern, und jeder Metzger übernahm nur eine Teilaufgabe beim Zerlegen des Tieres. Henry Ford übertrug die Fertigungsprinzipien auf den Bau von Autos (erstmals Ford T-Modell) und veränderte sie dadurch drastisch. Während zuvor an einer Station ein ganzes Auto zusammengebaut wurde, wurden die Fahrzeuge jetzt am Fließband in Teilschritten gefertigt – wesentlich schneller und kostengünstiger. Dadurch veränderten sich die Lieferketten abermals erheblich. Die Konkurrenz innerhalb einzelner Fertigungsstufen nahm zu, die Auswahl wurde größer und der Wettbewerb begünstigte den, der neben Fachkenntnis auch die Gesetze wirtschaftlichen Handelns optimal anwendete. Um gute Entscheidungen treffen zu können, gewann die Informationsgewinnung massiv an Bedeutung. Information an sich stellte erstmals einen materiellen Wert dar, konnte also gewonnen, aufbereitet und gewinnbringend verkauft werden. Ein Wer-liefert-Was lieferte Wettbewerbsvorteile und die regelmäßige Aktualisierung des Wissens kostete Geld. Der Vorläufer unserer heutigen „Subscription“ wurde als „Produkt“ hoffähig.

Die dritte industrielle Revolution begann in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts durch die Teilautomatisierung mithilfe der Nutzung von speicherprogrammierbaren Steuerungen und Computern. Seit der Einführung dieser Technologien sind wir in der Lage, einen kompletten Arbeitsvorgang automatisiert – also ohne menschliches Zutun – durchzuführen. Bekannte Beispiele hierfür sind Roboter, die programmierte Abläufe durchführen, ohne dass ein Mensch eingreifen muss. Charakteristisch für die Wertschöpfungsketten ist nun, dass ein Produkt mit dazugehöriger Information gepaart ist. In der einfachsten Form ein Bedienungshandbuch, in digitaler Form Programmbausteine, die wiederum neue Programmketten bilden und erweitertes Automatisieren erlauben. Auch Programme, die selbst Informationen gewinnen, werden Standard. Sensorik in der Industrie, Auswertungssoftware in der Wirtschaft und im Verbraucherverhalten steuern nun ihrerseits wieder automatisierte Prozesse. Die „Fälschungssicherheit“ und der Nachweis der Qualität gewinnen zentrale Bedeutung und erfordern Validierungs- und Zertifizierungssysteme, denen man vertrauen können muss. Die – non-produktiven – Dienstleistungen werden ein eigenes, stetig wachsendes Geschäftsfeld und die Geschwindigkeit der Regulierung durch staatliche Instanzen bekommt stellenweise ein aberwitziges Tempo und stellenweise einen theoretischen Detailierungsgrad, deren Umsetzung die betroffenen Unternehmen viel Schweiß, Mühen und natürlich Geld kostet.

Aktuell befinden wir uns in der Umsetzung der vierten industriellen Revolution. Diese ist charakterisiert durch die Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Industrie und wird auch als „Industrie 4.0“ bezeichnet. „Digitalisierung“ ist nun das Bullshit-Bingo-Wort mit der höchsten Trefferquote. Industrie 4.0 baut auf den Entwicklungen der dritten industriellen Revolution auf. Produktionsanlagen, die bereits über Computertechnologie verfügen, werden durch eine Netzwerkverbindung erweitert und haben sozusagen einen „digitalen Zwilling“ (und wieder ein Bullshit-Bingo Treffer) im Internet. Über diesen und entsprechende Schnittstellen sind sie in der Lage, mit anderen Anlagen zu kommunizieren und Informationen über sich auszugeben oder aber auch Informationen zu importieren und in die Steuerungen zu integrieren. Dies ist ein wichtiger Schritt zur Vollautomatisierung der Produktion. Die Vernetzung aller Anlagen führt zu „cyber-physischen Produktionssystemen“ und somit zur intelligenten Fabrik, in der Produktionssysteme, Bauteile und Menschen über ein Netzwerk kommunizieren und die Produktion sich nahezu selbst steuert.

Wie immer, wenn die Komplexität in der Automatisierung zunimmt, schwindet die Transparenz und die Beurteilung durch menschliche Experten wird zur Kunst. Damit wächst die Gefahr einer unerkannten Manipulation exponentiell.

Das Thema ist top-aktuell. Wenn Sie mehr Informationen benötigen rufen Sie uns an oder schicken Sie uns eine Mail.

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